Am 22. Oktober war der 75. Todestag von Johannes Gustav Paul Grade, besser bekannt als Hans Grade. Dies nahm die bereits 1990 gegründete Hans-Grade-Gesellschaft zum Anlass, die „Libelle“ erstmals dem Publikum vorzustellen. Im November letzten Jahres war die finale Zusage gekommen, dass der Verein den 1:1-Nachbau des Fluggerätes bekommen würde, Ende August war der etwas komplizierte Transport aus dem Sauerland vollzogen worden.
Flugzeugbau
Hans Grade, 1879 in Köslin (Pommern) geboren, besuchte von 1900 bis 1904 die Technische Hochschule in Charlottenburg und begann bereits 1903, Motoren zu konstruieren. 1907 wandte er sich der Flugzeug-Konstruktion zu, er testete seine Bauwerke höchstpersönlich, was auch mal in Bruchlandungen resultierte.
Im August 1909 zog Hans Grade mit seiner Werkstatt nach Borkheide (damals noch Bork) und nahm im selben Monat mit der „Libelle“ am Flugwettbewerb „Lanz-Preis der Lüfte“ teil und gewann als Sieger einen Preis von 40.000 Goldmark.
1910 errichtete Grade in Borkheide eine Flugzeugfabrik mit angeschlossener Flugschule. 80 Flugzeuge wurden gebaut, 130 Flugschüler wurden ausgebildet.
1910 gelang ihm der erste Dauerflug (4:30 h), zwei Jahre später transportierte eins seiner Flugzeuge einen Sack Post von Borkheide nach Brück – dies gilt als die erste Luftpostbeförderung in Deutschland.
Corona hatte bis jetzt die öffentliche Vorstellung des Fluggerätes verhindert, der Todestag Grades war nun ein willkommener Anlass, dies nachzuholen. Und auch wenn noch viel Arbeit vor den Grade-Historikern liegt - so sollen die Tragflächen neu bespannt werden und ein Motor rekonstruiert werde, aktuell findet sich an dessen Stelle neu eine Attrappe aus Holz, präsentierte sich auf dem Marktplatz ein beeindruckendes Stück Borkheider Geschichte.
Das Grade-Auto
Zum Ende des Ersten Weltkrieges durfte Deutschland keine Flugzeuge mehr bauen, und so legte sich Hans Grade auf den Automobilbau zu. Seilzugbremsen und –lenkung, wie auch die Windschnittigkeit der Karosserie ließen seine Herkunft aus dem Flugzeugbau erkennen.
In wenigen Exemplaren entstand in der Grade-Automobil-Werke AG im Jahre 1921 zunächst der Typ F1.
Rund ein Jahr später debütierte der Zweitakter vom Typ F2, mit zwei Zylindern, gut 800 Kubik und 14, später 16 PS, der zeitweise das bestverkaufte Automobil in Deutschland war.
Ein solcher Wagen, in der Rennversion, existiert heute noch in Borkheide. Drei weitere verbliebene Fahrzeuge sind bekannt, einer davon fahrbereit, doch das sind alles Straßenfahrzeuge. Anlässlich des 75. Todestages wurde der Wagen aus der Garage geholt und auf eigener Achse und unter lautem Getöse (Schalldämpfer waren an dem Rennwagen nicht vorgesehen) auf den Borkheider Marktplatz gefahren. Der Besitzer des Fahrzeuges, Rudi Lapoehn, stammt gebürtig aus derselben Region wie Hans Grade.
Die Vorgeschichte des Fahrzeuges ist recht ungewöhnlich: als Hitler begann, Privatfahrzeuge zu „requirieren“, haben Grade-Freunde Fahrzeug-Teilsätze überall im Dorf privat untergebracht. Nach dem Krieg blieb so manches liegen, wurde aber eifrig weitergereicht, wenn der Hüter verstarb. Kurz vor der Wende ergab es sich dann, dass eine Erbin sich an das Interesse Lapoehns an den Teilen erinnerte. Man kam zueinander, und in zwei Jahren Arbeit hat der KFZ-Meister den Grade-Wagen zusammengebaut. Von dieser Rennversion wurden nur 3 Stück anlässlich der Eröffnung der AVUS (vor genau 100 Jahren) gebaut, dieser war mit dabei.
Inzwischen drängten andere Automobilbauer auf den Kleinwagenmarkt. Sie konnten ihre Fahrzeuge deutlich günstiger anbieten als Hans Grade. 1926 versuchte er noch, mit dem Vierzylinder-F 4 A mit 24 PS den technischen Vorsprung zu halten, doch die finanzielle Not war schon zu hoch, und zwei Jahre später war Schluss.
Fotoserie zum 75. Todestag Hans Grade (25.10.2021)
Fotoserie Urheberrecht: K. Fröhlich/Amt Brück
Weitere Informationen: Hans Grade Gesellschaft Borkheide e.V.